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Literatur / Die Ballade „Belsazar“ (1819) – Sisi und der Dichter Heinrich Heine
   

Die Ballade „Belsazar“ (1819) – Sisi und der Dichter Heinrich Heine

Belsazar/Belsatzar ist eine Ballade von Heinrich Heine (1797-1856), die er im Jahre 1820 geschrieben hat. Sie gehört zu dem Gedichtzyklus Junge Leiden, der 1827 in Hamburg im Buch der Lieder publiziert wurde. Zu dieser Ballade hat den Dichter eine Szene aus dem biblischen Buch des Propheten Daniel inspiriert.

Das dichterische Schaffen von Heinrich Heine, insbesondere seine Gedichte, haben Kaiserin Elisabeth (Sisi) tief berührt. Im Jänner des Jahres 1855, als sie sich auf die Reise zum Schloss Miramar bei Triest machte, nahm die Kaiserin einige Werke Heines mit. Sie vertiefte sich in seine Werke „immer eifriger“[1], weil der kritisch-satirischer Ton seiner Texte ihrem Geist der Besinnung und „ihrem Sinn für Lyrik“ sehr entsprach. Der Literaturforscher Conte Corti bemerkte auch: „Von Heine, dessen „Belsazar“ und „Wallfahrt nach Kevelaer“ sie immer wieder zu Tränen rühren, ist Elisabeth zu Byron und Shakespeare gelangt, liest, übersetzt und deklamiert unaufhörlich.“[2]. Heinrich Heine galt im Leben von Sisi als dichterisches Vorbild und ihn hat sie immer als ihren Meister behandelt.

„Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Der Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und rufet laut mit schäumendem Mund:

„Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!“

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblass.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.“


[1] Vgl. Egon Caesar Conte Corti, Elisabeth »Die seltsame Frau«, S.344
[2] Ebenda, S. 402

Autor: Veröffentlicht im: 2022/11Zuletzt aktualisiert im: 2023/11Kategorien: LiteraturSchlüsselwörter: , Aufrufe: 579
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